25.04.2022
Seit dem 24. Februar 2022 führt Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Gegen diesen Krieg ist ein enormer Widerstand sichtbar, der alle gesellschaftlichen Schichten, Altersgruppen und Geschlechter umfasst. Viele Menschen sind auf verschiedene Weise dazu bereit, sich gegen die russische Besatzung zu verteidigen – sei es indem Tausende protestierend den Weg der rollenden Panzer blockieren, Straßenschilder umstellen oder Friedenskundgebungen gegen die Besatzung durchführen, mit dem Aufbau von Unterstützungsstrukturen oder weiteren Formen der Selbstverteidigung.
Wie die Rolle feministischer und basisdemokratischer Kräfte in der BRD bei diesem Angriffskrieg aussehen sollte, darüber wird zur Zeit viel debattiert. Viele post-sowjetische Linke, haben in ihren Beiträgen kritisiert, dass es zu wenig Auseinandersetzung mit russischem Imperialismus gäbe und dieser dementsprechend zu wenig ernst genommen werde. Das hat uns zu einer selbstkritischen Evaluierung unseres ersten Statements bewegt, welches wir zwei Tage nach dem Beginn der russischen Invasion veröffentlicht hatten. Im Folgenden formulieren wir einige Gedanken, (Selbst-)Kritiken und Perspektiven zu den aktuellen Diskursen.
Die Selbstverteidigung der Bevölkerung und der Militarismus der Großmächte
Aktuell ist in Teilen der Linken in Deutschland eine große Zögerlichkeit zu spüren, klar Position gegen den russischen Imperialismus zu beziehen und auch gegen diesen vorzugehen. Möglicherweise ist es ein Reflex darauf, dass Deutschland und die NATO nun diesen Angriffskrieg nutzen, um sich selbst als Militärmacht auszubauen. Es wird staatlicherseits ein Bild gezeichnet, bei dem sich die NATO-Staaten im Kampf gegen Russland als Verteidiger der Demokratie darstellen. Als Reaktion auf die Kriegsrhetorik des Westens, legen linke Kräfte den Fokus auf den Kampf gegen die Kriegstreiberei des Landes, in dem sie selbst jeweils leben. Dieser Kampf ist angesichts der Militarisierung in der BRD zwar grundlegend, allerdings ist es ebenso grundlegend, dass darin eine klare Haltung und Praxis gegen den russischen Angriffskrieg zur Geltung kommt, sowie gegen den russischen Imperialismus als Teil des weltweiten Imperialismus – und seinen Auswirkungen.
Als Feminist*innen, die in der BRD leben, ist es besorgniserregend zu sehen, wie Deutschland sich als Militärmacht ausbaut und den Ukrainekrieg nutzt, um Ausgaben in Rekordhöhe für Waffen und Ausrüstung des eigenen Militärs – zudem in undemokratischer Weise – im Schnelldurchlauf zu beschließen. Eine zunehmende Militarisierung Deutschlands hat noch nie etwas Gutes bedeutet, schon gar nicht für die Bevölkerung in der Ukraine. Gleichzeitig wird mit der eigenen Aufrüstung suggeriert, man würde etwas gegen den Krieg unternehmen, wobei die deutsche Aufrüstung bei der Abwehr der russischen Besatzung keine Unterstützung darstellt.
Auch wenn NATO-Mitgliedsstaaten diesen Krieg nutzen, um davon zu profitieren und aufzurüsten, sollte nicht der Umkehrschluss stattfinden, dass eine Solidarität mit dem Widerstand gegen die russische Besatzung deshalb nur sehr zögerlich erfolgt. Die Ukraine lediglich als „Spielball“ zwischen den Blöcken NATO und Russland zu betrachten, wird dem eigenen Willen der Menschen vor Ort nicht gerecht. Es ist deshalb wichtig zwischen der Selbstverteidigung der Bevölkerung und dem Militarismus der Großmächte zu unterscheiden.
Damit einher geht, die Vielfalt der gesellschaftlichen Kämpfe vor Ort anzuerkennen und diese Kämpfe nicht einfach in Form der Machtblöcke „NATO“ oder „Russland“ zu betrachten.
Beispielsweise wäre es undifferenziert, die Maidan-Proteste einfach nur als „westlich“ abzutun. Einige Kräfte innerhalb dieser Bewegung orientieren sich dabei an Demokratien nach westlichem Vorbild, aber längst nicht alle. Und auch diejenigen, die sich an westlichen Demokratien orientieren, sind sich teils durchaus darüber bewusst, dass diese keine echte Demokratie darstellen, aber immerhin mehr Bewegungsspielraum für emanzipatorische Politik bietet als die russische Führung. Als weiteres Argument zur Abwertung der Demokratiebewegung wird angeführt, es gäbe sowohl bei den Maidan Protesten wie auch in der militärischen Verteidigung der Ukraine rechte Kräfte und Neonazis. Damit darf jedoch nicht der Wille einer vielfältigen gesellschaftlichen Bewegung abgewertet und den Rechten das Feld überlassen werden.
Wir begreifen uns als Internationalist*innen, somit als ein Teil der sozialen Bewegungen und basispolitischen Kämpfe weltweit, die ein gutes Leben ohne patriarchale, kapitalistische, rassistische, anthropozentrische und andere Dominanz- und Gewaltverhältnisse anstreben. Wir begreifen uns an der Seite von allen, die das imperiale Besatzungsbestreben Russlands abwehren und wollen dabei mit denjenigen in Verbindung treten, die nicht national-chauvinistische, sondern emanzipatorisch motivierte Perspektiven in dem Widerstand gegen die Besatzung haben.
Linke Kräfte in der Ukraine sind durch den aktuellen Kriegsumstand nun in der Situation, sich militärisch verteidigen zu müssen. Das bedeutet auch taktische Bündnisse mit denjenigen einzugehen, die sie in anderen Situationen nicht unterstützen würden, zum Beispiel staatliche Kräfte, die in der Lage sind die russische Besatzung abzuwehren. Das betrachten viele linke Kräfte vor Ort momentan als notwendig, da die russische Invasion aktuell die akuteste Gefahr für die Gesellschaft in der Ukraine darstellt. Wenn wir uns mit diesen Kräften im Widerstand gegen die Besatzung verbinden wollen, gilt es eine Haltung zu entwickeln, bei der wir nicht erst alle taktischen Entscheidungen in Kontexten, die wir nur begrenzt begreifen können, gutheißen müssen, bevor wir unterstützend handeln. Dabei geht es auch darum sich einzugestehen, dass wir selbst gerade keine starke Antwort auf die aktuelle Situation in der Welt bieten können. Solange wir als selbstorganisierte, basisdemokratische, libertäre Kräfte nicht stark genug aufgestellt sind, sind taktische Bündnisse manchmal notwendig, um überhaupt zu überleben und dann perspektivisch unsere Verbindungen zu stärken. Wir sollten in unseren Analysen die Realitäten der sozialen Widerstandsprozesse miteinbeziehen, mit denen wir uns verbünden wollen, in Anerkennung der Mittel, die sie selber dafür wählen. Dabei ist zudem zu sagen, dass es keine einheitliche Vorgehensweise vor Ort gibt.
Es ist eine offene Frage, wie sich die Selbstverteidigung der Gesellschaft – und hier geht unsere Aufmerksamkeit vor allem in Richtung der selbstorganisierten Widerstandspraktiken – zwischen den imperialen Machtblöcken bewegen kann. In der Ukraine werden dahingehend momentan wichtige Erfahrungen gesammelt, auf die wir uns im gemeinsamen Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat, beziehen wollen.
Über die Sinnhaftigkeit, den Fokus auf die NATO zu legen
Putin hat schon lange betont, dass er die Existenz der Ukraine nicht anerkennt und die Besatzung der Ukraine hat schon vor 8 Jahren auf der Krim begonnen. Seither herrscht Krieg in den Gebieten Donezk und Luhansk. Die Invasion vom 24.2. ist ganz klar ein russischer Angriffskrieg. Die NATO hat zwar zur Eskalation beigetragen und nutzt die Situation, um massiv aufzurüsten und um Russland wirtschaftlich sowie militärisch zu schwächen, aber dennoch ist es in erster Linie ein Krieg, der von Russlands Regierung ausgeht.
Die linke Organisierung „Operation Solidarity“ agiert in der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg und äußerte: „Die Propagandisten des Kremels fabrizieren ein Bild von ‚Krieg zwischen NATO und Russland‘. Wie auch immer, sehen wir keine NATO hier. Stattdessen sehen wir russischen Imperialismus ‚in seiner Höchstform‘“. Mit dem Zeigen auf die NATO erfolgt also der Versuch Russlands, die Ukraine militärisch zu besetzen.
Die Forderung „Nieder mit den Waffen“ (aus unserem vorigen Statement) soll nicht darüber hinweg täuschen, dass wir die Legitimität der Selbstverteidigung der Gesellschaften anerkennen. In diesem Fall ist „Nieder mit den Waffen“ insbesondere an die Aggressionsmacht Russland gerichtet. Auch durch Aussagen wie „Ringen um Kontrolle zwischen NATO und Russland“ wird verzerrt, von wem gerade die Aggression ausgeht. In unserem und vielen anderen Statements heißt es „Nieder mit der NATO!“, ohne dabei Vergleichbares in Bezug auf die Russische Föderation zu fordern, etwa „Nieder mit dem russischen Militär“. Ein bloßes Ende der NATO würde momentan nicht den Krieg in der Ukraine stoppen.
Jede imperiale koloniale Kraft zeigt auf die jeweils anderen ihrer Art, um ihr eigenes Handeln zu legitimieren. So verweist auch Putin auf die NATO-Osterweiterung als Bedrohung. Es ist kein Geheimnis, dass NATO-Staaten als wesentliche imperiale Akteure das Klima des Imperialismus weltweit mitbefeuern. Es erscheint für uns jedoch fraglich, ob die NATO-Osterweiterung der ausschlaggebende Grund für die Besetzung der Krim und den weiteren Einmarsch in die Ukraine ist. Außerdem stellt es keine Legitimation für eine kriegerische Invasion dar.
Putin stellte seit Ende letzten Jahres ein Ultimatum, mit dem die NATO sich aus Osteuropa zurückziehen und die Neutralität der Ukraine gewährleistet werden sollte – Forderungen, bei denen damit zu rechnen war, dass diese von den NATO-Ländern nicht erfüllt werden würden. Somit hatte Russland letzten Endes einen geeigneten Vorwand, um die eigene Imperialmacht kriegerisch auszubauen. Auch bereits die Entwicklungen der letzten Jahre machen Russlands Imperialinteressen als Grund für den Krieg deutlich. Den Sturz der pro-russischen Regierung durch die Maidan-Proteste und die bei den Protesten überwiegende Forderung nach Demokratisierung hat Russland direkt mit der Annexion der Krim beantwortet. Wir lesen das als ein Zeichen an alle weiteren Länder mit pro-russischen Regierungen, dass jeglicher Widerstand gegen den Einfluss des Kremls mit einer blutigen Niederschlagung beantwortet werden wird, so wie auch in Belarus, Syrien oder Kasachstan. Putins Berater Wladislaw Surkow veröffentlichte 2021 einen Artikel, in dem er erklärte, dass „das Imperium expandieren muss, da es sonst untergehen wird“¹. Auch weitere Narrative des Kremls deuten vor allem auf ein nationalistisches Großmachtbestreben Russlands hin.
Ein übermäßiger Fokus auf die NATO, bei einem Angriffskrieg der von Russland ausgeht, verschiebt den Fokus von der Aggression und dem Beginn des Krieges durch Russland. Gleichzeitig verfolgt die NATO ebenfalls imperiale Interessen und stellt sich durch den Angriff Russlands nun in heuchlerischer Weise als Lösungskraft dar. Während wir versuchen sollten, den russischen Imperialismus nicht zu relativieren, indem wir in erster Linie über die NATO sprechen, erachten wir es als notwendig die angebliche Lösungskraft der NATO zu verneinen. Bei der NATO geht es in erster Linie um eigene Interessen und nicht um Moral, also bietet sie keine Lösung für den Aufbau einer solidarischen-demokratischen Gesellschaft. Das Gewalt- wie das Interventionsverbot und andere friedensfördernden internationale Normen als Bestandteile der Charta der Vereinten Nationen werden von NATO-Staaten immer wieder nicht geachtet. Wenn nun von diesen Staaten die Solidarität gegen den geächteten Angriffskrieg hochgehalten wird, so ist das Ausdruck einer scheinheiligen Doppelmoral. Als eins von vielen Beispielen sei der türkische Angriffskrieg in Südkurdistan und auf die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien und im Shengal genannt, welcher von Deutschland und anderen NATO-Mitgliedsstaaten konkret unterstützt wird. Es ist besonders scheinheilig, dass ausgerechnet Erdogan sich als Vermittler im Ukraine-Krieg darstellt und währenddessen selbst eine militärische Großoffensive in Kurdistan gestartet hat.
Auch russischen Imperialismus von hier aus bekämpfen
Wenn unsere Perspektive ist, den Kampf gegen Imperialismus insgesamt und weltweit zu führen, sollte dieser Kampf auch in der Lage sein, bei konkreten Angriffen konkrete Antworten zu geben. Wenn nun also der russische Staat durch einen Angriffskrieg die Bevölkerung in der Ukraine angreift, muss auch international von progressiven anti-imperialistischen Kräften eine Verteidigung gegen russischen Imperialismus aufgebaut und dieser Krieg gestoppt werden.
Verteidigung kann in dem Sinne vieles bedeuten und findet nicht nur militärisch statt. Um zu klären was es für Linke Kräfte in der BRD bedeuten kann, wollen wir herausstellen, dass Deutschland zwar ein NATO-Mitglied ist, aber z.B. bezüglich Sanktionen gegen Russland nicht immer die gleichen Strategien und Interessen wie andere NATO-Mitgliedsstaaten verfolgt. Dazu finden wir es wichtig zu sagen, dass ein Wesensmerkmal des deutschen Imperialismus das „Manövrieren zwischen den verschiedenen Fronten“ ist. In der Wirtschafts- und Außenpolitik wurden von der BRD gleichzeitig die eurasischen Beziehungen mit Russland als auch die transatlantischen Beziehungen mit den USA ausgebaut, um „das eigene Gewicht zu vergrößern und mehr Unabhängigkeit zu erreichen“. Somit versucht Deutschland gerade sich nur soweit zu involvieren, dass es die eigenen wirtschaftlichen Interessen nicht gefährdet. Es werden beispielsweise 100 Mrd. Euro Zusatzbudget für das deutsche Militär beschlossen, statt zusätzlicher Ausgaben für den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien und eine Abkehr von russischen Gaslieferungen (oder sonstigen autokratischen Energielieferanten). Dementsprechend ist Deutschland zu einem großen Teil mitverantwortlich für das Geld und die Waffen, die gegen die Ukraine eingesetzt werden, denn es fließen täglich Millionen von Euro nach Russland.
Viele EU-Staaten, haben trotz des Embargos durch den Krim-Krieg 2014, mit dem verboten wurde Waffen an Russland zu liefern, weiterhin Rüstungsgeschäfte mit der Russischen Föderation betrieben. Deutschland lieferte Waffen und Kriegsfahrzeuge im Wert von 121 Millionen an Russland und ist damit auf Platz zwei im EU-weiten Vergleich. Viele der Länder, die weiterhin Waffen exportierten, nutzten eine Gesetzeslücke in den EU-Verordnungen, um ihren Handel fortzusetzen. Diese Waffen sind nun gegen die ukrainische Bevölkerung im Einsatz. Die Ambivalenz der deutschen Politik durch die Beziehungen, die zu Russland aufgebaut wurden zieht sich bis heute und zeigt sich auch in der deutschen Ukraine-Politik. Jetzt, wo die deutsch-russischen Beziehungen bröckeln, scheint es, dass die Bundesregierung eher auf den Ausbau der eigenen Machtposition setzt, als auf die Beendigung des Krieges und bis jetzt sprechen deutsche Politiker*innen noch von „russischen Sicherheitsinteressen“ als Grund für den Krieg.
Wenn ein Angriffskrieg von Russland ausgeht, gilt es genau diese Kooperation mit der russischen Regierung ins Visier zu nehmen. Dabei wäre es nur gerecht, dass die Kosten des Krieges von denjenigen getragen werden, die ihn verursachen, also in erster Linie von der herrschenden Klasse.
Die Frage nach Demokratie – Feministische, gesellschaftliche Lösungen finden
Alle imperialen Mächte sind Teil eines zutiefst patriarchalen Systems. Das tatsächliche Widerstands- und Lösungspotential sehen wir in der Gesellschaft selbst und es sind genau diese Momente, in denen dieses Potential deutlich wird: Menschen wehren sich gemeinsam gegen Unterdrückung und Assimilierung des russischen Besatzungsregimes; es entsteht eine breite internationale Solidaritätswelle und eine Bewegung für den Frieden; es entfalten sich ein solidarisches Miteinander und selbstverwaltete Strukturen in allen möglichen Lebensbereichen (u.a. Fluchthilfe, Transport, Wohnraum, medizinische Versorgung, Selbstverteidigung gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution). Darin werden durch Selbstorganisierung auch die staatlich produzierten und gesellschaftlichen Probleme aufgefangen und angegangen. Das zeigt sich beispielsweise an den Strukturen, die Menschen ohne ukrainischen Pass und von Rassismus Betroffene oder LGBTIQA* (steht für: lesbian, gay, bisexual, transgender, queer/questioning, intersex, asexual; das * dient als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten) auf der Flucht unterstützen. Internationalismus bedeutet, sich in ebendiese emanzipatorischen Momente einzubringen, in denen gesellschaftliche Solidarität und der Kampf um Befreiung sichtbar werdenund dabei auch deutlich zu machen, dass diese Solidarität allen zusteht. Ziel ist es langfristige Strukturen mit einer revolutionären Perspektive aufzubauen
In Belarus protestieren die Frauen, die in den weiß-roten Farben der belarussischen Unabhängigkeit auf die Straße gehen, nun auch mit Bekundungen gegen den Krieg in der Ukraine. In Russland ist trotz massivster Repression gegen Antikriegsproteste ein „Nein zum Krieg“ sichtbar, zum Beispiel durch den „Feministischen Widerstand gegen Krieg“. In der Ukraine sind Frauen aktiver Teil des Widerstandes gegen die Besatzung.
Dass Frauen und auch weitere unterdrückte Geschlechter sichtbar Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg leisten, liegt unter anderem daran, dass ihre Situation sich durch eine russische Besatzung noch weiter verschlechtern würde – in Russland selbst wurde der rechtliche Schutz vor häuslicher Gewalt und das Recht auf LGBTIQ*-Organisierung faktisch abgeschafft. In Belarus waren Frauen bei den Protesten 2020 massiver sexualisierter Gewalt in den Gefängnissen ausgesetzt und sind es immer noch. Die Berichte von Vergewaltigungen und brutalen Feminiziden durch die russischen Soldaten in den Besatzungsgebieten der Ukraine häufen sich.
Wir denken, dass mit der Kraft von Frauen und weiteren unterdrückten Geschlechtern, eine antipatriarchale Selbstverteidigung aufgebaut werden kann.
Wir sehen unsere Aufgabe vor allem darin, sich mit den Kräften zu verbinden, welche die Vorstellung von selbstverwalteter Basisdemokratie, Geschlechterbefreiung und Ökologie mit uns teilen und somit gesellschaftliche Solidarität als revolutionäre Perspektive festigen wollen. Denn anders als bei Nationalstaaten und Militärbündnissen, wo es in erster Linie um Interessen geht, geht es bei der gesellschaftlichen Organisierung um die Bedürfnisse der Bevölkerung auf Basis solidarischer Werte – also der Aufbau einer tatsächlichen Demokratie.
Krieg und Militarisierung birgt immer die Gefahr, selbst in patriarchales Denken zu verfallen. Wenn wir eine tatsächliche Alternative aufbauen wollen, dann gilt es auch zu erkennen, wie die staatliche Mentalität des Krieges unser Denken einnimmt und uns auf mentaler Ebene dagegen zu verteidigen. Die kurdische Frauenfreiheitsbewegung hat gezeigt, dass eine Bewegung trotz der Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes, antipatriarchal und antimilitaristisch kämpfen kann. In der aktuellen Situation in Europa erachten wir es als notwendig, sich daran ein Beispiel zu nehmen.
Weltweit gehen hunderttausende von Menschen auf die Straße und sagen „Nein zum Krieg“. An diese Bewegung für den Frieden wollen wir anknüpfen. Doch wir müssen uns fragen, wie wir diesen Frieden tatsächlich aufbauen können. Eine Friedensbewegung braucht auch eine klare Perspektive, eine Utopie für das Zusammenleben ohne Dominanz und die Einsicht, dass diese Perspektive verteidigt werden muss. In einer Welt, in der Menschen durch Nationalstaaten voneinander getrennt werden, wo Staaten und Militärbündnisse um Einfluss konkurrieren, wird es auch weiterhin Kriege geben. Demgegenüber gibt es Vorschläge einer gesellschaftlichen Selbstverwaltung, einer Gesellschaft ohne Staaten und Grenzen. Der Demokratische Konföderalismus ist ein Vorschlag des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan. Aktuell wird es unter anderem in Nord- und Ostsyrien und im Shengal sowie Mexmûr umgesetzt und basiert auf den Werten der Basisdemokratie, Frauenbefreiung und Ökologie. Weltweit gibt es viele emanzipatorische Bewegungen, die eine echte Demokratie von unten aufbauen. Die organisierte Gesellschaft stellt die größte Selbstverteidigung gegen Imperialmächte dar.
FORDERUNGEN UND KAMPAGNEN, DIE WIR UNTERSTÜTZEN – Ein ernsthafter Ausstieg aus fossilen Energien und keine Deals mit Despoten Kohle, Gas und Öl heizen nicht nur die Atmosphäre auf, sondern auch Kriege an. Die EU muss sofort aufhören den russischen Angriffskrieg durch Importe von Öl, fossilem Gas und Kohle mitzufinanzieren. Das heißt aber nicht, nun neue Deals mit anderen Despoten abzuschließen, sondern es ist Zeit für einen Systemwechsel. https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/post/2022/03/14/aktionstag-gegen-krieg-und-klimakrise-27-maerz/ – 100 Milliarden für Aufrüstung beenden keinen Krieg Wir fordern, wie auch Rheinmetall entwaffnen, Abolish Frontex, Ende Gelände und Fridays For Future, dass keine 100 Milliarden Euro in deutsche Aufrüstung fließen. Dieses Geld kann viel besser in Pflege, Bildung, öffentlichen Nahverkehr oder den Ausbau von Erneuerbaren investiert werden. https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/post/2022/03/14/aktionstag-gegen-krieg-und-klimakrise-27-maerz/ – Gleiches Aufenthaltsrecht für Alle Die Willkommenskultur gilt nicht allen gleich. Viele BIPoC erleben Rassismus bei ihrer Flucht in die EU und haben nicht dieselben Aufenthaltsrechte. Wir fordern gleiche Rechte auf Asyl für Alle! https://seebruecke.org/aktuelles/kampagnen/alles-ist-moeglich https://www.change.org/beyondevacuation Unterstützt eure lokalen Support Strukturen für Schwarze Geflüchtete wie z.B. in Berlin: https://portal.tubman.network/univention/portal/ https://wir-packens-an.info/ – Recht auf Asyl für russische Deserteure und oppositionelle Linke Aktivist*innen in Russland sind extrem von Repressionen bedroht und sollten ein unkompliziertes, schnelles und sicheres Asyl bekommen. Ebenso gilt es durch das Recht auf Asyl dem russischen Angriffskrieg sein Personal zu entziehen. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162769.kriegsdienstverweigerung-asyl-fuer-deserteure-erleichtern.html – Sanktionen gegen russische Oligarchen Um die Oligarchen, die den Krieg unterstützen, als Kriegsprofiteure und Putins Rückgrat wirksam zu treffen, bräuchte es ein internationales Finanzregister. Warum es das noch nicht gibt liegt vor allem daran, dass sich westliche Eliten dagegenstellen, da ihre Interessen selbst stark davon betroffen wären. Gerade Deutschland gibt bisher keine Informationen darüber Preis, ob überhaupt schon Sanktionen gegen die Superreichen durchgesetzt wurden. Diese Zögerlichkeit könnte daran liegen, dass Deutschland natürlich auch von den hier ansässigen Superreichen profitiert. In Europa gab es mehrere Aktionen gegen Immobilien mit der Forderung nach Enteignung und der Übergabe an Geflüchtete. – Die Kampagne der ukrainischen „Organisation Soziale Bewegung“, mit der die Auslandsschulden der Ukraine als nichtig erklärt werden Die Auslandsstaatsschulden der Ukraine belaufen sich auf 125 Milliarden und jeder weitere Tag des Krieges kostet Millionen. Der Kampagne geht es in erster Linie darum, dass die Kosten des Krieges nicht auf die Bevölkerung abgewälzt werden. Mit einer Tilgung der Auslandsschulden können die zerstörte Infrastruktur effektiver und schneller wieder aufgebaut werden und Austeritätspolitik eingedämmt werden. Unterschreibt die Kampagne und unterstützt die Petition: https://www.openpetition.eu/petition/online/people-around-the-world-demand-imf-to-cancel-ukraines-unjust-debt Link der „Organisation Soziale Bewegung“: https://rev.org.ua/english/ – Konsequente Friedensprozesse für eine demokratische und gesellschaftliche Lösung Momentan wird eher auf Militarisierung, statt auf Friedensprozesse gesetzt und an den Verhandlungstischen sitzen nur Männer. Wir fordern konsequente Friedensprozesse mit Beteiligung gesellschaftlicher Vertreter*innen und organisierter FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter*, nicht-binäre Personen, Trans* und A-gender), welche die Bedingungen für einen Frieden selbst bestimmen. |