05.12.2018
Das Museum Amna Suraka in Gedenken an kurdische Freiheits*kämpferinnen war zu der Zeit des Baath-Regimes ein Geheimdiensthauptquartier und Foltergefängnis unter Ali Hassan Majin, dem berüchtigten „Chemie Ali“.2 Diese Sicherheitsfestung, 16,880 m² groß, wurde am 30.09.1979 mit Hilfe der DDR im Zentrum von Sulemanî erbaut. Das Gebäude wurde ab 1984 in voller Kapazität genutzt, bis es 1991 während des kurdischen Aufstandes befreit wurde. Tausende wurden hier gefoltert und ermordet. Zunächst wurde das Gelände bis 1996 zum Zufluchtsort für vertriebene Familien aus der Stadt Kirkuk. Aufgrund der Bemühungen von Hero Ibrahim Ahmad3 wurde das gesamte Gelände in ein nationales Museum umgewandelt, nachdem sie einen neuen Ort für die geflüchteten Menschen gefunden hatte.
Das Gelände umfasst sieben Gebäude in denen sich die Funktionäre der Regierung koordinierten, Aktivitäten der Gesellschaft sowie Publikationen in Sulemanî überwachten und vor allem Gefangene verhörten folterten und ermordeten. Die Gräueltaten, die auf diesem Gelände stattfanden, spielten eine aktive Rolle im Versuch die kurdische Identität auszulöschen und die Kultur zu deformieren. Wenn man das Gelände betritt, fühlt man sich wie in die DDR der 1970er Jahre versetzt. Das liegt nicht nur an den IFA-Lastwagen die neben Panzern auf einer Wiese stehen, welche direkt ins Auge springen. Sondern vor allem auch an den Betonbauten die mit Hilfe der DDR errichtet wurden.
Der Rundgang durchs Museum beginnt mit einem sehr eindrucksvollen Mahnmal des Gedenkens an die acht Anfal-Offensiven. Die Halle der Spiegel, die ehemalige Kantine der Folterknechte wurde zu einem Gedenksymbol umgebaut.
Ein Gedenksymbol für die während der Anfal-Offensiven ermordeten Menschen und zerstörten Dörfer. Die Wände sind mit 182 000 zerbrochenen Spiegelscherben für die gleiche Anzahl an Menschen die zwischen 1986 und 1989 ermordet wurden geschmückt. Die Decke dieser Wände ist mit kleinen Lichtern bestückt, die den Raum beleuchten, mit je einem Licht pro Dorf das zerstört wurde, was insgesamt 4 500 Lichter bedeutet.
Im Museumsgebäude angekommen geht man durch Ausstellungsräume, in denen traditionelle kurdische Kleidung und Teppiche aus verschiedenen Regionen gezeigt werden: „…das ist die Kultur, die Saddam vernichten wollte“, erklärt uns der Guide und erzählt, dass auch seine Familie an die iranische Grenze fliehen musste. Die Spuren matriarchaler Kulturen erhalten sich auf den Teppichen, dessen Webart Muster zeigen, welche die mütterliche Stammlinie darstellen.
Im nächsten Raum sehen wir ausgestellte antik wirkende Waffen, doch dazu wird uns nicht viel erklärt, was spürbar macht, dass der Guide den Raum schnell wieder verlassen möchte. Diese Distanz wird auch durch einen Text auf einer Tafel deutlich: „Wir haben weder diese Waffen hergestellt, noch sind wir stolz diese auszustellen. Vielmehr wurden diese von denen benutzt, die unsere Existenz bedroht haben. Wir geben ebenso zu, dass eben jene Waffen uns geholfen haben, unsere Freiheit zu erlangen“.
Den Raum verlassen, die Treppe hinuntergegangen kommen wir in einen mit Fotos geschmückten Raum. Die auf den Bildern gezeigten Familien auf der Flucht aus ihren Dörfern, bringen einem die Ausmaße des Genozids vom Baath-Regime etwas näher. Auf einer Tafel wird auf den 31.März 1991 hingewiesen, welcher einen Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen Volkes darstellt. Da in dessen Folge die UN-Resolution von 1988 entstanden ist zur Errichtung einer Flugverbotszone, welche im weiteren zur Gründung des KRG (Kurdistan Regional Government) führte.
„Es leben die Gefallenen„
Tief beeindruckt uns der Raum, der den Gefallenen im Kampf gegen Daesh, den sogenannten islamischen Staat im Mittleren Osten, gewidmet ist. Die Wände des gesamten riesigen Raumes, der eher dunkel gehalten ist, sind mit Bildern von Kämpferinnen und Kämpfern bedeckt. „Dies sind nicht alle Kämpfer*innen die gestorben sind, um alle zeigen zu können haben wir nicht den Platz“ wird uns anschließend erklärt.
Die von hinten beleuchteten Fotos zeigen Gefallene der YNK, der PDK der YPG und YPJ. Wir entdecken auch einige Internationalist*innen wie Dilsoz Bahar oder Ivana Hoffmann. Offensichtlich war es den Macher*innen der Ausstellung wichtig, keinerlei Unterschiede zwischen den Organisationen zu machen, die gegen den gemeinsamen Feind gekämpft haben.
An lebensgroßen in YPG und YPJ Uniformen gekleideten Wachsfiguren, vorbeigegangen werden wir in einen ca. 30m² schlauchartigen großen Raum geführt.
Ein Raum der durch beleuchtete Namen und Bilder sehr eindrucksvoll die Geschichte der acht-Anfall-Offensiven aufgreift. Beim betreten sehen wir rechts und links Bilder von den geplanten Offensiven anhand von Karten erklärt. Neben leuchtenden Bildern von Kindern, Frauen und Männern stehen auf schwarzen Tafeln mit rot hinterleuchteter Schrift einige Namen der durch dieses Massaker ermordeten Menschen.
Je weiter wir in den Raum gehen desto mehr sind wir von Bildern umgeben und desto mehr bekommen wir eine leise Ahnung der Ausmaße dieser menschenverachtenden Angriffe.
Den Abschluss des Rundganges zeigen die ehemaligen Folterkammern und die Zellen der Gefangenen des Baath-Regimes. Die Foltermethoden wie „Palästinenserhaken“ und „Bastonade“ werden zum Teil durch lebensgroße Gipsfiguren sehr anschaulich dargestellt. „Wir hatten zuvor auch Original Tonspuren der Folter in den Verhörräumen abgespielt, aber auch aufgrund der zeitlichen Nähe, der Tatsache, dass auch Überlebende und deren Angehörige hierher kommen, haben wir das wieder eingestellt“, berichtet uns der Guide.
Auch eine Zelle für Frauen und Kinder ist vorhanden. In den 21 m2 kleinen Raum wurden bis zu 50 Frauen und Kinder gesperrt. Eine Tafel weist darauf hin, dass die Kinder häufig als Druckmittel gegen die Mütter benutzt wurden, so wurden sie zum Beispiel von den Müttern getrennt, um diese zu Aussagen zu zwingen. Soldaten des Saddam Regimes fuhren durch Sulemanî und nahmen junge Frauen mit, die sie in Amna Suraka vergewaltigten.
Die verschlungenen Gänge des Foltergefängnisses sollten die Gefangenen verwirren, berichtet der Guide. An den Wänden sind die berührenden Inschriften der Gefangenen durch eine dicke Folie geschützt.
Wieder zurück im Hellen treffen wir auf eine junge Frau, die uns auf Englisch anspricht. Sie berichtet davon, dass sie in London lebt, wohin ihre Eltern vor den Anfal Offensiven geflohen sind. An diesem Ort des Schreckens sucht sie nach ihren Wurzeln. „Wer seid ihr?“ fragt sie. Als sie hört, dass wir eine Frauen*delegation auf den Spuren des Befreiungskampfes der kurdischen Frauen sind, strahlt sie und sagt: „Es macht mich stolz, dass kurdische Frauen heute die Vorkämpferinnen des weltweiten Befreiungskampfes sind“.