“Wir wollten die Stimmen aus Efrîn in die Welt schicken” Komîna Fîlm a Rojava – Die Filmkommune Rojava in Serêkaniyê

18.12.2018

Wir verbringen den Nachmittag im Haus der Filmkommune in Serêkaniyê. Es gibt einen grünen Innenhof mit Granatäpfelbäumen und alte Kinostuhlreihen dienen als Sitzgelegenheiten in der Mitte des kleinen Gartens.

Wir sprechen mit Sevinaz Evdike, die in Serêkaniyê aufwuchs, nach Bakur ging, um Film zu studieren und danach wieder nach Serêkaniyê zurückkam, um hier etwas mit Film zu machen. Im Juli 2015 wurde die Filmkommune Rojava gegründet. Mittlerweile sind 13 Menschen aus unterschiedlichen Ländern in der Kommune aktiv.

An den Hauswänden hängen Poster für das diesjährigen 1. Internationalen Filmfestival von Kobanê, Mihrîcana Fîlm a Kobanê ya Navnetewî welches vom 13. bis 19. November in fünf verschiedenen Städten und in vier Flüchtlingscamps von Rojava und Nordsyrien stattfand. 89 internationale Filme wurden gezeigt, erzählt uns Sevinaz. Aus allen Teilen Kurdistans, Europas, Afrikas und aus Lateinamerika hätten Filmemacher*innen ihnen Filme zugeschickt. “Fünf Tage haben wir uns eingeschlossen und von morgens um acht bis nachts um vier durchgängig Filme geguckt und ausgewählt.” Mit acht Leuten haben sie alle Filme übersetzt und gedubbt (mit Kurdisch übersprochen). Dies war notwendig, da wenige Menschen hier Fremdsprachen verstehen und Untertitel in Arabisch und Kurdisch zu schwierig gewesen wären. Wir sind beeindruckt. Mit einer grossen Energie erzählt Sevinaz weiter. Momentan arbeiten sie an zwei Projekten. Eines handelt vom Widerstand in Kobanê und das andere behandelt die Angriffe auf das ezidische Siedlungsgebiet Şengal. Es gibt in Kobanê einen Ableger der Filmkommune, welche die Arbeiten dort realisiert. “Die Gruppe in Kobanê hat nach der Besetzung von Efrîn die Filme von lokalen Filmemacher*innen aus Efrîn gezeigt, die nun in den Camps in Şehba leben. Wir wollten die Stimmen aus Efrîn in die Welt schicken. Viele Menschen, die aus Efrîn nach Kobanê fliehen mussten, sind zu diesem Event gekommen und es war eine sehr emotionale und berührende Veranstaltung”, berichtet Sevinaz weiter.

Wir fragen nach der Kunstakademie im Kanton Cizîrê, von der wir gehört hatten. Sie sei in Tibespiyê bei Qamişlo und man könne dort Theater, Literatur, Film, Folkloretanz und Musik studieren, erzählt Sevinaz. Die Filmkommune sei zuständig für den Filmbereich und gebe die Unterrichtsstunden. Im ersten Jahr kamen Lehrende von ausserhalb Rojavas, aber durch das Embargo und die geschlossenen Grenzen komme niemand mehr herein und sie machen den Unterricht nun selbst. “Alle ab 16 Jahren können mitmachen. Sie haben am Anfang einen einmonatigen Einführungskurs in Kameratechnik und danach können sich die Student*innen entscheiden, ob sie die anderthalbjährige Ausbildung beginnen wollen. Viele merken erst dann, welch harte Arbeit das ist und springen dann wieder ab. Hier in Serêkaniyê geben wir manchmal Workshops und es wird hauptsächlich synchronisiert. In Qamişlo ist das Hauptbüro, wo wir selbst Filme produzieren und uns mit anderen Filmemacher*innen vernetzen”, erklärt sie weiter.

Wir hören gespannt Sevinaz’ Ausführungen über die Geschichte der Kinokultur in Syrien zu. Die Kinosäle verwandelten sich im Laufe der Regimezeit in Nachtclubs und Hochzeitssäle, bis in den 1980er Jahren von einer Kinokultur fast nichts mehr übrig blieb. Die wenigen Filmemacher*innen die es in Rojava gab, gingen vor langer Zeit fast alle nach Europa und machten dort ihre Filme. “Sie zeigen aber nicht die Leute von Rojava und ihre Kultur. Ihr Blick ist immer einer von außen.” Das Ziel der Filmkommune hingegen sei, die lokale Film- und Kinokultur wieder zu stärken. “Wir wollen Filme für die Menschen hier machen, die sie verstehen und mögen. Langfristig wollen wir auch Bildungsarbeit mit unseren Filmen machen, für Schulen beispielsweise. Außerdem ist es uns wichtig ein Zeichen nach außen zu senden, dass es künstlerisches Leben in Rojava gibt”, so Sevinaz.

Alberto, ein spanischer Freund, der seit einem Jahr in der Filmkommune mitarbeitet, setzt sich mit zu uns und erzählt, dass besonders die Kinder viel Spaß an den Filmen hätten. So oft sie können zeigen sie an öffentlichen Plätzen in Stadtteilen, Dörfern, überall, wo sich eine Wand als Hintergrund anbietet, verschiedenste Filme. Je nachdem, was sich die Menschen wünschen. Sofort würde sich immer eine Kindertraube um sie herum bilden. Vor allem in den Flüchtlingscamps, die sie regelmäßig mit dem Kinoequipment besuchen, werden sie sehnsüchtig von den Kindern erwartet. Vor allem Animationsfilme und Cartoons sind hoch im Kurs, schmunzelt Alberto.

Sevinaz erzählt von ihrem letzten selbst gedrehten Kurzfilm “Home”, den sie in Raqqa kurz nach dem Krieg drehte. Sie wollte damit das Leben der Gesellschaft, besonders das der Kinder, nach dem Krieg darstellen. Als sie in Raqqa drehten, war die Stadt fast wie ausgestorben und immer noch völlig übersät von Minen, die Daesh zurückgelassen hatte. Über Kontakte haben sie Familien ausfindig machen können, die Lust hatten in diesem Film mitzuwirken. Wir bitten sie, ihn uns zu zeigen und machen es uns um den Bildschirm gemütlich. “Home” ist ein sehr ästhetischer Film mit einer sehr lebendigen Bildsprache. Besonders der Kontrast der völlig zerstörten Stadt mit ihren grauen Ruinen und dem wieder neu entstehendem Alltagsleben ihrer Bewohner*innen sticht ins Auge.

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FB: Komîna Fîlm a Rojava

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