22.05.2020
Hier teilen wir Material und einen kleinen Aufruf, zu Aktionen, bei denen wir im öffentlichen Raum eine Wäscheleine aufgehangen haben, um auf steigende patriarchale Gewalt, vor allem Feminizide, aufmerksam zu machen.
Im Ausstellungstext heißt es:
Liebe Nachbar*innen,
„Bleiben Sie zu Hause.“ Das sei doch eine „ganz einfache Aufforderung“ um gemeinsam die Coronakrise zu überstehen, freiwillige Isolation dieser Tage ein sozialer Akt, die Ausgangssperre das Mittel gegen die Ignoranz derer, die sich weiter draußen aufhielten. So oder ähnlich konnte man viele Politiker*innen und einige Journalist*innen in den letzten Wochen sprechen hören. Zuhause bleiben in Zeiten von Corona bedeutet allerdings nicht für alle, sich im gemütlichen Eigenheim in der harmonischen Kleinfamilie zurückzuziehen, wo es Lohnfortzahlung und genug Raum oder einen Garten gibt, um sich auch mal aus dem Weg zu gehen. Viele Menschen wohnen auf engstem Raum in kleinen Wohnungen zusammen. Ausgangsbegrenzungen können zu unerträglichen Situationen führen. Dass das eigene Zuhause statistisch für Frauen der gefährlichste Ort ist, ist keine überraschende Pointe mehr – der zu erwartende Anstieg häuslicher Gewalt in Zeiten der Coronakrise hat es sogar bis in die Tagesschau geschafft.
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen, wie sie derzeit verhängt werden, erhöhen das Potential für partnerschaftliche Gewaltausübung. Denn Ausgangssperren oder – begrenzungen, Schulschließungen, die Betreuung von Kindern zuhause oder soziale Isolation führen dazu, dass viele Menschen 24/7 in ihren Wohnungen aufeinanderhocken. Sorgen und Ängste werden größer, das Gefühl des Kontrollverlusts stärker. Existenzielle und finanzielle Unsicherheit lassen nicht nur bestehende gewaltvolle Dynamiken in Familien eskalieren, sondern bringen auch neue Konflikte auf.
Medienberichten zufolge sind in vielen Ländern mit Ausgangssperren aufgrund von Corona die Fälle von häuslicher Gewalt stark angestiegen, z.B. in China meldeten Frauenrechtsorganisationen drei Mal mehr Beschwerden, der Bundesstaat Rio de Janeiro in Brasilien einen 50-prozentigen Anstieg in den letzten zwei Wochen, die Notfallhotline in Argentinien 30 Prozent mehr Anrufe.
Giulia, Aktivistin von Noborder Feminism, kommt aus Italien und beobachtet die Situation dort seit Längerem. Jeden Tag werde dort mindestens eine Frau von nahestehenden Personen umgebracht. „Der Virus bringt nochmal in einer sehr viel aggressiveren und klareren Weise hervor, was auch schon vorher die Situation war“, erklärt sie. „Die Gewalt gegen Frauen ist massiv.“
Auch in Deutschland warnen Expert*innen vor einer Zunahme häuslicher Gewalt, erste Trends verzeichnen einen Anstieg von etwa zehn Prozent seit Beginn der Maßnahmen.
Mit unserer Wäscheleinenaktion schließen wir uns einer Tradition chilenischer Feminist*innen an und möchten auf die Verschärfung patriarchaler Verhältnisse während der Coronakrise aufmerksam machen. Ihr findet hier Informationen zu den Themen „Femizide“ sowie trans- und homofeindliche Gewalt, Unterstützungsangebote und Hilfenummern und zu feministischen Kämpfen weltweit. Die roten Kleidungsstücke symbolisieren und erinnern an die Menschen, die Opfer patriarchaler Gewalt wurden.
Hier gibt es Material, das gerne auch für eigene Aktionen genutzt und kreativ ergänzt werden kann, z.B. mit eigenen Anlaufstellen, an die sich Interessierte und Betroffene wenden können, um sich gegen patriarchale Gewalt zu organiseren.