Aus den Gefängnismauern Bakurs bis nach Rojava – Hungerstreiks gegen die Isolation Öcalans

04.01.2019

Die akuten Kriegsdrohungen der Türkei mobilisieren die Menschen in der demokratischen Konföderation Nord- und Ostsyrien. Über das ganze Gebiet finden derzeit Demonstrationen statt. Die Aktion der menschlichen Schutzschilde an der Grenze zieht große Aufmerksamkeit auf sich. Aufrufe werden verfasst und außerordentliche Versammlungen zur aktuellen Lage einberufen. Die letzten Tage und Wochen zeigen wie sehr sich die Gesellschaft in den letzten Jahren der Revolution politisiert hat. Das wird uns auch bei unserem Besuch in Dirbesiye bewusst, wo hunderte Menschen zusammengekommen sind, um sich für drei Tage als Symbol der Solidarität an den weltweiten Hungerstreiks gegen die Isolationshaft Abdullah Öcalans zu beteiligen. Seit dem 11. September 2016 gibt es kein Lebenszeichen von ihm. Die Forderung nach einem Kontakt zu Öcalan hängt eng mit der Forderung nach Frieden zusammen und das ist gerade jetzt mit den akuten Kriegsdrohungen von Bedeutung.

Seit Ende 2012 stand die türkische Regierung in Verhandlungen mit Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali. Im Rahmen dieser „Friedensverhandlungen“ wurde an einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage einhergehend mit einer Demokratisierung der Türkei gearbeitet. Im Februar 2015 wurde im Dolmabahce-Palast in Istanbul ein gemeinsamer 10-Punkte-Plan zur Beendigung des Konfliktes unterschrieben. Diesen erklärte Erdogan zwei Wochen später als nichtig, im April 2015 folgte daraufhin die Totalisolation Öcalans. Im Anschluss an die Parlamentswahlen im Juni begann ein umfangreicher Angriffskrieg gegen die kurdische Bevölkerung. Dieser hatte ihren Höhepunkt im Krieg der türkischen Armee gegen die Städte Sirnax, Cizîre, Nusaybin und den historischen Stadtteil Sûr in Amed/Diyarbekir. In diesem Kontext ist auch die Ausweitung des Krieges auf Syrien zu sehen.

Die Geschehnisse zeigen Öcalans bedeutende Rolle für den Frieden in der Region und einer demokratischen Lösung des Konfliktes. Menschen weltweit befinden sich derzeit im Hungerstreik. Sie folgen damit den Streikenden in den türkischen Gefängnissen und der HDP-Abgeordneten Leyla Güven. Seit mittlerweile 58 Tagen nimmt sie aus Protest keine Nahrung zu sich. Mittlerweile haben sich 91 weitere Gefangene angeschlossen. Ihre Aktion ist keine symbolische. Sie würden auch bis zum Tod streiken. 600 weitere Gefangene solidarisieren sich in regelmäßigen Hungerstreiks. Auch die Aktion der Menschen in Dirbesiye steht in diesem Kontext. Vor allem von Leyla Güven wird viel gesprochen, ihr Bild hängt groß an den Wänden der Zelte, die hier aufgestellt wurden. Für zwei Tage werden sich die Menschen hier treffen und zusammen sein. „Ich kann drei Tage ohne Essen“ erzählt uns eine ältere Frau stolz. Sie ist bereits geübt darin. Die Streiks setzen ein Zeichen, dass die Bevölkerung hinter Öcalan und der Bewegung steht. Auch die drohenden Angriffe sind ein großes Thema in den Reden.

Wir sprechen mit einer der Frauen über ihre Teilnahme. Sie mache das aus ihrer Überzeugung heraus. Sie wolle zeigen, dass die Gesellschaft nicht akzeptiert, dass Öcalan seit nun bereits 20 Jahren im Knast sitzt. Sie selbst kommt von einem nahegelegenen Dorf, ist extra für den Hungerstreik angereist. Gemeinsam mit Freundinnen ist sie hier. Wir fragen sie ob sie uns noch etwas mitgeben will; eine Nachricht nach Deutschland sozusagen. Sie erklärt, sie habe keinen Appell an die Institutionen, in die habe sie kein Vertrauen. Die Bevölkerung in Europa aber solle endlich aufstehen.

Hungerstreiks haben nicht nur in der kurdischen Bewegung eine lange Geschichte. So wählten bereits die Suffragetten diese Aktionsform für ihre Ziele eines allgemeinen Frauenwahlrechts. Hungerstreiks geschehen meist hinter Gefängnismauern, wenn Menschen keine andere Wahl haben, als ihren Körper zur Waffe zu machen. 2016 kam es das letzte Mal zu einer großen Welle von unbefristeten Hungerstreiks in der Türkei, ebenfalls wegen der Haftbedingungen Öcalans. Damals hatte es zur Folge, dass Öcalans Bruder ein Familienbesuch bewilligt wurde.

Öffentlichkeit und Kommunikation sind dringend notwendig für diese Aktionsform. Es ist wichtig dass wir den Aufständen in den Knästen eine Stimme und ausreichende Öffentlichkeit geben. Denn es ist unsere Aufgabe diese Kämpfe weiterzutragen, damit ihr Widerstand aus den Mauern der Gefängnisse herausreichen kann. Güvens Worte zu ihrem Hungerstreik: „Diese Isolation gilt nicht nur einer Person, sondern einem gesamten Volk. Ich bin in die Politik gegangen, weil mich das Paradigma Abdullah Öcalans dazu motiviert hat. Isolation ist ein Verbrechen. Ich werde meinen Hungerstreik fortsetzen, bis die Justiz ihre unrechtmäßigen Entscheidungen aufhebt und die Isolation beendet wird.“

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