Die Verteidigung der Frauen ist die Verteidigung der Gesellschaft – Besuch bei der HPC Jin in Qamişlo

24.01.2019

Die organisierte Selbstverteidigung der Frauen hier ist vielfältig. Sie findet auf mentaler Ebene gegen patriarchale Herrschaftsideologie, als auch auf physischer Ebene statt und umfasst verschiedene Organisationen. Im Bereich der bewaffneten Verteidigung, gibt es zum Beispiel die militärischen Einheiten der YPJ, die autonomen Frauen-Sicherheitskräfte Asayîş und die Frauenselbstverteidigungskräfte der Kommunen HPC-Jin.

Wir sind der HPC-Jin in Qamişlo bereits auf der Demonstration am Tag gegen Gewalt an Frauen in begegnet. Zumeist waren es etwas ältere Frauen, die mit Kalashnikovs bewaffnet zum Schutz neben der Demo liefen. Dabei war es für uns ein ungewohntes Gefühl, dass diejenigen, welche die Demonstration mit Waffen begleiten, auch wirklich an unserer Seite stehen. Wir erinnern uns an den 25. November 2017 in Berlin, als der Tag gegen Gewalt an Frauen mit großen Polizeischikanen begleitet war, langen Kontrollen und Festnahmen, welches uns zwei Stunden im Regen stehen ließ, sowie einem ekelhaftes, patriarchales Auftreten der Polizei.

Die Arbeit der HPC ist damit nicht zu vergleichen, denn die Verteidigung der HPC-Jin ist die Verteidigung der Frauen in der Gesellschaft selbst. Frauen organisieren sich in ihren Vierteln zu ihrem eigenen Schutz. Anders als bei staatlicher Kontrolle kämpft die HPC-Jin gegen das was der Gesellschaft schadet und nimmt sich dabei das Prinzip der Frauenbefreiung zur Basis.

Wir hatten später die Gelegenheit, die HPC-Jin in Qamişlo persönlich zu treffen. Die Freundinnen empfingen uns unglaublich herzlich und mit vielen Küssen.

Heval Fehîma fragt uns gleich, ob wir denn auch mit der Waffe umgehen können. Das sei wirklich wichtiges Wissen und jede Frau solle das lernen. Sie erwähnt, dass es momentan die Aufstände in Frankreich gibt und dass sie als Frauen von der HPC-Jin hinter den Menschen stehen und sie so weit sie können unterstützen. Es ist schön zu sehen, wie sich Frauen hier auf die Kämpfe in Europa beziehen. Hoffentlich entsteht da immer mehr ein gegenseitiger Bezug.

Heval Fehîma ist eine sehr energische Frau, sie macht großen Eindruck auf uns, wie sie erzählt und lacht und dabei viel Kraft, Stolz und Entschlossenheit ausstrahlt. Sie ist die Verantwortliche der HPC-Jin in Qamişlo. Morgens geht sie in das Zentrum, schaut was ansteht, sei es eine Demo, ein Treffen oder Bildung. Wenn es etwas kurzfristiges ist, sagt sie den Stadtteilverantwortlichen Bescheid. Alle zwei Wochen gibt es eine Bildung.

Sie erzählt uns von der Freude, die sie spürte, als die Revolution ausgebrochen ist. Seit sechs Jahren ist sie bei der HPC Jin. 2012 haben Frauen in Qamişlo begonnen von Viertel zu Viertel zu gehen und die Selbstverteidigungsgruppen zu gründen. Als dann im selben Jahr im Zuge des mittelöstlichen Frühlings das Regime aus dem Land gedrängt wurde, gab es schon sehr viele Menschen in den Selbstverteidigungsgruppen, allerdings hatten diese keine Waffen. Erst ab 2013 kamen die Waffen und die ersten Zentren wurden gegründet. In der Zeit wurden auch die Kommunen und Räte aufgebaut, Institutionen gegründet und die Organisierung verbessert. Überall waren die Frauen mit dabei. Damals hatten sie als Frauen kein Wissen und keine Erfahrung. Und früher war es gesellschaftlich verpönt, wenn eine Frau raus gegangen ist. Die Realität hier hat sich sehr geändert. Jetzt wird bei Problemen aller Art in den Vierteln die HPC gerufen. Sie kommen dann zu zweit oder zu dritt und versuchen das Problem zu lösen. Wenn sie das nicht schaffen, dann werden die Asayîş gerufen.

Was die demokratische Konföderation ausmacht sind eben diese Veränderungen, die auf gesellschaftlicher Ebene erreicht worden sind. Viele kommen aus Familien, in denen es Gewalt gab und viele haben selbst Gewalt als Frauen erlebt. Mit der HPC-Jin haben sie nun die Möglichkeit, diese Gewalt organisiert zu beantworten. Es sind Veränderungen auf Basis einer Organisierung, die sehr konkret und naheliegend ist. Für unsere Kämpfe der deutschen Linken, die leider oft sehr abstrakt und nicht greifbar sind, kann das nur ein Beispiel sein.

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