02.22.2020
Wie ihr vielleicht wisst, ist morgen Reformationstag, welcher 2017 bundesweit als Feiertag begangen wurde und seit 2018 in vielen Bundesländern gesetzlicher Feiertag ist und an dem, zu großen Teilen, das Wirken Martin Luthers gefeiert wird.
Gegen die Erhebung dieses Tages zu einem Feiertag, haben sich vor allem jüdische Gemeinden vehement ausgesprochen. Denn selbst wenn man nur etwas an der Oberfläche der Geschichte und des Denkens Luthers kratzt, kommt ein düsteres Bild von krassestem Antisemitismus (welcher sich gegen Jüd_innen als Ethnie richtet) und Antijudaismus (welcher sich gegen den jüdischen Glauben als Religion richtet) zum Vorschein. So lautet die erste von sieben Forderungen aus Luthers Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“: „Erstlich, daß man ihre Synagoga oder Schule mit Feuer anstecke und, was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich.“ Die sechste fordert Enteignung, die siebte Zwangsarbeit: „Zum Siebten, daß man den jungen, starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel, und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nase.“
Seine Vernichtungsfantasien beziehen sich nicht nur auf Jüd_innen sondern auf alles was nicht seiner Meinung und anders war als er. Darunter fallen auch sogenannte Hexen, Menschen mit Behinderungen, Andersgläubige, jede Person die gegen die Obrigkeit aufbegehrt und sogar einstige Weggefährten. Frauen* will er zwar nicht auslöschen, seine Äußerungen zeigen jedoch, dass er sich auch das wahrscheinlich wünschen würde, könnten Männer sich ohne sie fortpflanzen. “Wenn man dies Geschlecht, das Weibervolk, nicht hätte, so fiele die Haushaltung und Alles, was dazu gehöret, zusammen, läge gar darnieder; darnach das weltliche Regiment, Städte und die Polizey. Summa, die Welt kann das Weibervolk nicht entbehren, da gleich die Männer selber könnten Kinder austragen.”
Er sieht Frauen* als notwendiges Übel auf der Welt, minderwertige Menschen, die aber gebraucht werden, das sie die Aufgaben erfüllen, die der Mann nicht erfüllen soll. Der müsse sich um die wichtigen Dinge kümmern, zu denen Frauen* nicht in der Lage seien. Luther ist überzeugt, „daß das Weib geschaffen ist zur Haushaltung, der Mann aber zur Policey, zu weltlichem Regiment, zu Kriegen und Gerichtshändeln, die zu verwalten und zu führen.“ Das zeigt klar, was die Aufgaben sind, die als höherwertig gelten; herrschen, Krieg führen, unterdrücken. Aufgaben, die lebensbejahend, lebenswichtig sind und meist von Frauen* getragen werden, werden abgewertet. „Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.“ Seiner Meinung nach, haben Frauen* keinen eigenen Wert, der ist von Männern abhängig und wird nur dadurch erfüllt, dass sie diese zur Welt bringen. So ist auch „Die größte Ehre, die das Weib hat, (ist) allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden.“
Schließlich sind Frauen* nicht nur minderwertig, sie sind auch noch schädlich, bringen alles durcheinander, wenn sie denken sie könnten etwas. Das legt natürlich den Schluss nahe, dass sie gegebenenfalls auch davon abgehalten werden müssen. „Da Gott Adam zum Herrn über alle Creaturen gesetzt hatte, da stund es Alles noch wohl und recht, und Alles ward auf das Beste gerieret; aber da das Weib kam und wollte die Hand auch mit im Sode haben und klug seyn, da fielt es Alles dahin und ward eine wüste Unordnung.“
So ist Luther nicht nur Frauen*feind sondern auch ein Paradebeispiel für patriarchales (von Patriarchat = Herrschaft der Väter) Denken, Dominanzdenken, Egozentrismus. Alles was nicht ist wie er, alles was nicht denkt wie er, gehört vernichtet oder unterworfen. Die einzige Daseinsberechtigung dieser Gruppen ist dann ihm und seinesgleichen zu dienen.
Daher ist es nur logisch, dass er eine Bedrohung in den bäuerischen Aufständen, die zu seiner Zeit stattfinden, sieht. Er fordert in seiner Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“: „Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und daran denken, daß nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch.„
Auch Hexen, die noch über Wissen verfügen, das eben nicht diesen Interessen, denen der Männer, der Adeligen und Reichen dient, sondern eher denen von Frauen* und miteinander und der Natur verbundenen Gemeinschaften, will er auslöschen. Er sieht sie, in diesem Sinne zu Recht, als gefährlich an. „Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder… Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“
So muss man sagen, dass Luther nicht einfach nur mit den Meinungen seiner Zeit mitlief, einer Zeit in der die Abwertung von Frauen*, jüdischen Menschen, Menschen mit Behinderungen, Menschen die anders und aufrührerisch waren, normalisiert war. Er war eine einflussreiche Person. Seine Hass- und Vernichtungspredigten führten auch damals schon zum Tod unzähliger Menschen, Niederschlagungen von Aufständen fanden durch seinen „Rat“ verstärkt statt. Wie er selbst sagt „Ich habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Hals. Aber ich schiebe es auf unseren Herrgott; der hat mir befohlen solches zu reden.“
Man kann davon ausgehen, dass auch die Schriften die sich gegen Hexen, jüdische Menschen, Andersgläubige und Menschen mit Behinderungen wandten, schon damals unmittelbar zu Gewalt gegen diese Menschen geführt haben.
Unter diesen Umständen ist es erschreckend, dass es einen Feiertag zu Ehren Luthers Person gibt. Und zeigt mal wieder, dass wir in einem patriarchalen System leben, in dem es unzählige Plätze und Straßen gibt, die nach einem geistigen Brandstifter benannt sind, während kaum welche überhaupt die Namen von Frauen* oder FLINTA tragen.