Erklärung von Gemeinsam Kämpfen zum 8. März 2023

Jin, Jiyan, Azadî – Gemeinsam verteidigen wir das Leben!

//english below

Am heutigen 8. März 2023 freuen wir uns an den verschiedensten Orten mit anderen kämpfenden Feminist:innen auf der Straßen zu sein. Als Gemeinsam Kämpfen – Feministische Organisierung für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie grüßen wir alle kämpfende Frauen und Menschen weiterer unterdrückter Geschlechter weltweit!

Gemeinsam Kämpfen ist vor etwas mehr als fünf Jahren als deutschlandweite Kampagne gestartet. Ziel war es, die Ideen der Revolution der selbstverwalteten Region Nord- und Ostsyriens, auch geläufig als Rojava, in Deutschland bekannter zu machen und zu verteidigen. In den daruaffolgenden Jahren hat sich„Gemeinsam Kämpfen“ zu einer eigenen Organisierung weiterentwickelt, die über reine Solidaritätsaktionen für Rojava hinausgeht, denn wir lernen von dieser Revolution. Wir wollen auch hier in dieser Geografie eine breite Organisierung von Frauen und Menschen weiterer unterdrückter Geschlechter aufbauen, die sich in Verbindung sieht mit allen feministischen Kämpfen weltweit, und die Befreiung des Lebens vorantreibt. Wir wollen im Sinne eines gelebten Internationalismus Bündnisse und Netzwerke aufbauen, die unsere Kämpfe verbinden und stärken. Es ist unsere Aufgabe, eine geeinte antikoloniale Kraft im Herzen Europas – einem Machtzentrum globaler Ausbeutung und Unterdrückung – aufzubauen. Es ist unsere Aufgabe, eine geeinte Kraft gegen das weltweite Patriarchat zu schaffen. Wir sind uns bewusst: wir können nur frei sein, wenn alle frei sind.

Seit 2012 wird nun schon ein alternatives Gesellschaftssystem in Rojava, in Nord- und Ostsyrien gelebt. Bevor dieses jedoch errichtet werden konnte, brauchte es 35 Jahre harter, opfervoller Arbeit im Aufbau einer entschlossenen Organisierung, die hauptsächlich nur im Untergrund passieren konnte. Die konkreten Erfahrungen und Erfolge der Frauenrevolution, die dort nun seit über 10 Jahren gemacht werden, und die dahinter liegende Geschichte sind auch für uns eine große Chance und Hoffnung.

So sind wir der festen Überzeugung, dass eine andere Welt, eine ökologische, geschlechterbefreite und basisdemokratische Welt möglich ist, eine Welt ohne Krieg, Hunger und Gewalt. Selbstverwaltung und Basisdemokratie, also die unmittelbare Beteiligung der Menschen an den Fragen und Entscheidungen ihres Zusammenlebens, sind für uns konkrete emanzipatorische Konzepte und Ziele, die wir wieder in unseren Gesellschaften erreichen wollen. Und wir sagen „wieder“, weil wir durch Geschichtsforschungen freudig entdecken, dass Menschen überall auf der Welt nach diesen Prinzipien zusammengelebt haben – in der langen Menschheitsgeschichte vor dem Patriarchat. Das Zauberwort dafür lautet: Verbundenheit. Mit allem, das lebt.

Die Aufstände im Iran in den vergangenen Monaten zeigen uns, dass die Kämpfe für gesellschaftliche Befreiung, angeführt von Frauen und Jugendlichen, nicht aufhören sich zu verbreiten. Der Slogan „Jin Jiyan Azadî“ – Frauen Leben Freiheit – der kurdischen Frauenbewegung hat die Idee eines revolutionären feministischen Aufbruchs in die ganze Welt getragen. Hinter „Jin Jiyan Azadî“ steht eine eigene Philosophie, eine revolutionäre Bewegung zur Befreiung des Lebens an sich, die in ihrem Kern die Befreiung von Frauen und allen unterdrückten Geschlechtern trägt.

Wenn sich nun jedoch Regierungsmitglieder mit der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ schmücken, ist dies keine Solidarität, sondern der Versuch des kapaitalistischen Patriarchats, sich eine starke Protestbewegung einzuverleiben, um diese zu schwächen und die eigenen Machtansprüche aufrechtzuerhalten. Wenn Annalena Baerbock sich für die Rückgabe von Bronzefiguren an die Regierung Nigerias hochleben lässt, während eine Sammelabschiebung aus Deutschland nach Nigeria stattfindet, ist dies eine verlogene Weiterführung einer rassistischen und kolonialen Interessenpolitik. Nur weil die deutsche Außenpolitik aktuell von einer Frau angeführt wird, kann diese noch lange nicht als feministisch bezeichnet werden. Sie bleibt patriarchal, solange sie die gegenwärtige Machtordnung stützt und von ihr profitiert.

Wir erleben momentan die Zuspitzung globaler Machtkämpfe und die Zunahme kriegerischer, patriarchaler Gewalt. Der Kapitalismus steckt gerade in der Krise, und das ist unsere große Chance. Wir brauchen ein grundlegend anderes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das auf den wirklichen Bedürfnissen der Menschen beruht und nicht auf kapitalistischen Profitinteressen. Wir müssen verstehen und fühlen, dass wir von unserer Natur und dem Leben entfremdet worden sind und dass wir wieder ein Bewusstsein entwickeln müssen, das das Leben in den Mittelpunkt stellt, es schützt und bewahrt. Dass wir ein System aufbauen müssen, das auf Respekt und Verbundenheit zwischen allen Lebewesen beruht.

Dies ist keine zufällige Utopie, sondern die Schönheit der Revolution.

Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir uns gemeinsam mit allen unterdrückten Menschen über alle Grenzen hinweg organisieren, unsere Spaltungen überwinden und in unserer Vielfalt unsere Stärke und Widerstandskraft finden.

Als Gemeinsam Kämpfen organisieren wir uns deutschlandweit – auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. In Ostdeutschland ist es noch nicht lange her, dass es auch dort eine starke Friedensbewegung gab, die sowohl die autoritäre DDR als auch das kapitalistische System ablehnte und sich auf die Suche nach einem freien, demokratischen Sozialismus gemacht hat. Und so stehen wir auch heute wieder alle zusammen auf der Straße, weil wir Veränderung brauchen – hier und weltweit. Das Patriarchat ist nicht alternativlos. Das kapitalistische System ist nicht alternativlos. Was uns heute unterdrückt, ist einst von Menschenhand geschaffen worden, deshalb können wir es auch wieder abschaffen. Die feministische Revolution in Rojava, die uns als Vorbild dient, und alle derzeitigen Befreiungsbewegungen und Aufstände gilt es mit aller Kraft zu verteidigen.

Lasst uns dabei nicht lockerlassen. Lasst uns organisiert sein und bleiben. Lasst uns dabei Seite an Seite mit den feministischen Aufständen im Iran, in Kurdistan und weltweit stehen, bis sie erfolgreich sein werden. Auch für uns wird die Stunde hier einmal wieder schlagen! Und unsere Entschlossenheit wird dafür ausschlaggebend sein.

Dass wir heute an den verschiedenen Orten zusammenkommen, ist ein wichtiger Schritt. Wir schließen uns zusammen, um Veränderung zu schaffen, um gemeinsam zu kämpfen. Wir müssen die Verantwortung und den Glauben in unserem Umfeld und in uns stärken, dass eine andere Welt möglich ist – und dass wir alle zusammen diese Welt sind.

We are unstoppable, another world is possible!

Jin Jiyan Azadî

Declaration of Gemeinsam Kämpfen for the 8th of March2023

Jin, Jiyan, Azadî – Together we defend life!

Today, March 8, 2023, we look forward to being on the streets with other struggling feminists in a variety of places. As Gemeinsam Kämpfen – Feministische Organisierung für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie („Fighting Together – Feminist Organizing for Self-Determination and Democratic Autonomy“) we greet all struggling women and people of other oppressed genders worldwide!

„Gemeinsam Kämpfen“ started nationwide a little more than 5 years ago. The goal was to make the ideas of the revolution of the self-governed region of Northern and Eastern Syria, also commonly known as Rojava, better known and defended in Germany. „Gemeinsam Kämpfen“ has evolved into its own organization that goes beyond mere solidarity actions for Rojava, because we are learning from this revolution. We want to build a broad organization of women and people of other oppressed genders here as well, which sees itself in connection with all feminist struggles worldwide, and advances the liberation of life. We want to build alliances and networks that connect and strengthen our struggles in the spirit of living internationalism. It is our task to build a united anti-colonial force in the heart of Europe – a power center of global exploitation and oppression. It is our task to create a united force against global patriarchy. We are aware: we can only be free if everyone is free.

Since 2012, an alternative social system has now been lived in Rojava, in Northern and Eastern Syria. However, before this could be established, it took 35 years of hard, sacrificial work in building a determined organization, which could only happen mainly underground. The concrete experiences and successes of the women’s revolution that have been made there for over 10 years now, and the history behind them, are also a great opportunity and hope for us.

So we are firmly convinced that another world, an ecological, gender-free and grassroots democratic world is possible, a world without war, hunger and violence. We understand self-management and grassroots democracy (the direct participation of people in the issues and decisions of their coexistence, for example within a neighborhood) as concrete emancipatory concepts and goals that we want to achieve again in our societies. And we say „again“ because we joyfully discover through historical research that people all over the world once lived together according to these principles – in the long history of mankind before patriarchy. The magic word for this is: connectedness. With everything that lives.

The uprisings in Iran in recent months show us that the struggles for social liberation, led by women and youth, do not stop spreading. The slogan „Jin Jiyan Azadî“ – Women Live Freedom – of the Kurdish women’s movement has carried the idea of a revolutionary feminist awakening all over the world. Behind „Jin Jiyan Azadî“ is a philosophy of its own, a revolutionary movement for the liberation of life itself, which carries at its core the liberation of women and all oppressed genders.

However, when members of the government now adorn themselves with the slogan „Jin, Jiyan, Azadî“, this is not solidarity, but the attempt of the capitalist patriarchy to annex a strong protest movement in order to weaken it and maintain its own claims to power. If Annalena Baerbock lets herself be exalted for the return of bronze figures to the government of Nigeria, while a collective deportation from Germany to Nigeria takes place, this is a mendacious continuation of a racist and colonial interest policy. Just because German foreign policy is currently led by a woman does not mean that it is feminist. It remains patriarchal as long as it supports and profits from the current power order.

We are currently witnessing the intensification of global power struggles and the increase of warlike, patriarchal violence. Capitalism is in crisis right now, and this is our great opportunity. We need a fundamentally different social and economic system based on the real needs of people, not on capitalist profit interests. We need to understand and feel that we have been alienated from our nature and life and that we need to develop again a consciousness that puts life in the center, protects and preserves it. We need to build a system based on respect and connectedness between all living beings. This is not an accidental utopia, but the beauty of revolution.

To achieve our goals, we must organize together with all oppressed people across all borders, overcome our divisions, and find our strength and resilience in our diversity.

As Gemeinsam Kämpfen, we organize throughout Germany – including in the territory of the former GDR. It wasn’t long ago in East Germany that there was a strong peace movement there, too, which rejected both the authoritarian GDR and the capitalist system and set out in search of a free, democratic socialism. And so today we are all standing together again in the streets because we need change – here and around the world. Patriarchy is not without alternative. The capitalist system is not without alternative. What oppresses us today was once created by human hands, so we can abolish it. The feminist revolution in Rojava, which serves as a model for us, and all current liberation movements and uprisings must be defended with all our strength.

Let us remain organized. In doing so, let us stand side by side with the feminist revolution in Iran, Kurdistan and wordwide until it will be sucessful. For us, too, the hour will strike here once again! And our determination will be decisive for it.

The fact that we come together at different places today is an important step. We are joining together to create change, to fight together. We need to strengthen the responsibility and belief in those around us and within us that another world is possible – and that we are all this world together.

We are unstoppable, another world is possible!

Jin Jiyan Azadî

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