Wir trauern um unsere Freundin und Genossin H., die am 4. Februar 2023 an den Folgen einer chronischen Krankheit gestorben ist. Sie war mit uns seit 2019 bei Women Defend Rojava und später auch bei Gemeinsam Kämpfen in Berlin organisiert. Als Berliner Ortsgruppe von Gemeinsam Kämpfen und Womend Defend Rojava möchten wir einige Erinnerungen an H. Festhalten.
H. hatte eine sehr klare politische Haltung, welche sie offen lebte und zu der sie stand, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. H war radikal und sich selbst immer treu, auch wenn sie damit hier und dort mal aneckte. Gerade in unserem autonomen Kontext (FLINTA* only), wo wir dazu neigen uns gegenseitig zumindest im Redeverhalten mit Samthandschuhen anzufassen, war sie dabei eine echte Lehre und Bereicherung. H hat nie super viel Redezeit in Anspruch genommen, aber wenn sie was sagte, dann wars ihr wichtig und dann hatte sie eine klare Meinung, die sie sich nicht nehmen ließ. Politische Arbeit war für H. kein Hobby, keine Feierabendbeschäftigung, um das schlechte Gewissen im Kapitalismus zu besänftigen, und kein Ego-Puscher. Politische Arbeit war für H. zentral in ihrem Leben. Ihr war es auch wichtig, dass organisiert sein füreinander da sein bedeutet – freundschaftliche, aber nicht exklusive Beziehungen und Kollektivität statt kollegiale Verhältnisse. Das ist oft sehr schwer, gerade wenn man in einer Metropole politisch arbeitet.
H. war eine Person, die man auf vielen verschiedenen Veranstaltungen traf. Sie hatte eine ruhige Art, aber sie war immer auf Zack. H. war für Gemeinsam Kämpfen und Women Defend Rojava aktiv im Netzwerk gegen Feminizide. Basisarbeit und auf der Straße sein waren ihr wichtig. H. war für uns auch aktiv in der FLINTA*-AG im Rahmen der zapatistischen Reise für das Leben. Zusammen gestalteten wir einen FLINTA*-space auf dem Rebellischen Zusammentreffen, bei dem auch die Delegation der Zapatistas und des Indigenen Nationalkongresses aus Mexiko da war.
H. neigte dazu sich manches nicht zuzutrauen, gerade das Sprechen in der Öffentlichkeit. Sie mochte nicht im Mittelpunkt stehen. Auch wenn die meisten von uns keine engen Vertrauten von H. waren, so glauben wir sagen zu können, dass sie ihr ganz spezielles Päckchen im kapitalistischen Patriarchat zu tragen hatte. Das haben wir als Frauen, Lesben, Trans*, Inter* und nicht-binäre Personen zwar irgendwie alle, aber auch alle auf sehr unterschiedliche Weise. H. bereicherte unsere feministischen Diskussionen enorm indem sie immer wieder in konkreten Situationen auf verinnerlichte oder unreflektierte Ausgrenzungen aufmerksam machte. Wenn wie selbstverständlich englisch gesprochen wurde, erinnerte sie daran, dass fließendes englisch oft mit Klasse zusammen hängt, oder auch mit Altersgruppen oder (West)Sozialisation.
H. war vehement darin deutlich zu machen wie wir im kapitalistischen Patriarchat auf ganz unterschiedliche Weise Unterdrückung erfahren. Sie hat uns dabei immer wieder selbst in der Beschränktheit unserer Perspektiven kritisiert. Besonders wenn man in der Kritik eigene Schwäche offenbart ist das eine Leistung, die Mumm braucht.
H. war fraglos eine überzeugte Internationalistin, die aber dennoch immer wusste, dass Gesellschaftsmodelle nie allgemeingültig sein können und dass Gesellschaften sehr unterschiedlich sind. Sie hatte großes Interesse an Bewegungen auf der ganzen Welt. Wo es Bewegung gab, dort konnte man sie finden, in verschiedensten sozialen, feministischen, anarchistischen und internationalistischen Kämpfen
Sie verstand die Macken und Tücken der radikalen Linken, war Vermittlerin zwischen Gruppen, und hatte oft einen guten Riecher für mögliche Konflikte oder ungewollte Ausschlüsse. Ihre jahrelange Erfahrung war enorm wertvoll. Wir wünschten wir hätten die Möglichkeit gehabt ihr das einfach mal zu sagen. Sie hat sich nie wichtig genommen, aber das war sie. Wir würden ihr gerne danken für all die Zeit und manchmal auch den Nerv, den sie reingesteckt hat. H., wir vermissen dich.